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Kommodifizierung der Stadtpolitik

Anna Richter

Tagung an der Justus-Liebig-Universität Gießen, 3./4.Juni 2oo5 POLITISIERTER KONSUM - KONSUMIERTE POLITIK

Im Frühling 2oo3 hatte Bremen sich mit einem imposanten Bewerbungskonvolut auf den Titel "Kulturhauptstadt Europas 2o1o" beworben. Inzwischen hat die von der Kultusministerkonferenz eingesetzte Jury ihre Wahl getroffen: Essen und Görlitz sind noch im Rennen, Bremen und die anderen sieben Bewerberstädte dagegen ausgeschieden. Obwohl Bremen nun nicht mehr Kulturhauptstadt wird, lohnt es sich m.E., die Bewerbungsstrategie als solche zu betrachten, weil sie Tendenzen einer sich verändernden Stadtentwicklungspolitik spiegelt. Ich werde zunächst einen theoretischen Rahmen spannen, um dann anhand von drei kulturellen Strategien die Politik der unternehmerischen Stadt darzustellen. Um ein möglichst plastisches Bild zu zeichnen und verschiedene Ebenen der Kommodifizierung aufzuzeigen, habe ich mich für drei solcher Strategien entschieden: den Intendanten, das Bremer Weltspiel und die Umgestaltung eines Stadtteils.

Die Institution "Kulturhauptstadt Europas" ist im Kontext wirtschaftspolitischer Entwicklungen zu sehen, die nur kurz umrissen werden sollen:

Die Umverteilung der Verantwortlichkeiten im föderalen System löste in den frühen 1990er Jahren eine Wende der Großstadtpolitik aus, lokaler Ausdruck des öffentlichen Strukturwandels. Während Subventionen des Bundes für die Städte gekürzt werden, müssen diese gleichzeitig ein Mehr an sozialstaatlichen Aufgaben übernehmen. Die nationale Austeritätspolitik und der Rückbau des sozialen Wohlfahrtsstaates führen zu ganz neuen Herausforderungen für die Städte, deren wirtschaftliche Dynamik dadurch massiv beeinflußt wird. Diese "New Urban Reality" äußert sich durch das Zusammentreffen dreier problematischer Faktoren, die sich gegenseitig verstärken:

Viele Städte reagieren auf diese veränderten Rahmenbedingungen mit einer Modernisierung, in deren Zuge sich das Verhältnis zwischen der Stadt und ihren Einwohnern grundlegend verändert. Selbst Standort unterschiedlichster und vorzugsweise spezialisierter Dienstleistungen wird die Stadt zur Anbieterin für ihre Konsumenten, seien dies Bewohner, Unternehmer oder Touristen. Kritische StadtforscherInnen sprechen deshalb von der "unternehmerischen Stadt." Die Schaffung leistungsfähiger Kommunalverwaltungen ist Ausdruck dieser "Verbetriebswirtschaftlichung" (vgl. Helbrecht 1994). Dabei interessiert die konkrete Erscheinungsform einer allgemeinen Ökonomisierungstendenz der verschiedenen Kapitalsorten, deren Kräfte in der Stadt wirken. Da das "Non-profit Unternehmen Stadt" jedoch de facto etwas anderes als ein klassisches Unternehmen ist, deuten sich Widersprüche an. Obwohl die kapitalistische Marktwirtschaft alle Bereiche der Gesellschaft bestimmt und soziale Verhältnisse verdinglicht, geht Gesellschaft nicht im Marketing Modell auf. Reduziert die Stadtpolitik ihren Gegenstand auf die Produktion von Wert - und sei es symbolischer -, gerät wohlfahrtsstaatliche Politik notgedrungen aus dem Blick. Es geht Unternehmen nämlich keineswegs darum, 'an sich' Bedürfnisse von Individuen und schon gar nicht von Gesellschaft zu erfüllen. Oder plakativer: "Sie wollen nicht die Menschheit beglücken, sondern Markterfolg erzielen" (Hill, W./Rieser?, I. 199o). Dass ökonomische und politische Entwicklungen sich gegenseitig bedingen, macht sich schon darin bemerkbar, dass die ersten beiden Faktoren "weniger Mittel und mehr Ausgaben" ökonomischer Art sind, aber direkte Auswirkungen auf die politische Landschaft haben. Wenn kommunale Strukturen in einer Stadt privatisiert und durch Serviceleistungen ersetzt werden, wird politische Macht umverteilt, keineswegs jedoch verringert sie sich dadurch. Problematisiert wird damit das Verständnis von Stadtpolitik, die vom Prinzip her dem Gemeinwohl verpflichtet ist, auch wenn sich nur schwer davon sprechen liesse, dass das Prinzip Gemeinwohl der Beglückung der Menschheit gleichkäme. Wird der soziale Raum Stadt vorwiegend als ökonomische Einheit verstanden und Stadtpolitik künstlich auf einen, nämlich den ökonomischen Gegenstand, reduziert, lassen sich Probleme anderer "Natur" dadurch wohl kaum lösen. Hier kommt die Rolle der Kultur ins Spiel, derer sich die unternehmerische Stadt bedient.

Damit ist eine Verschiebung und Überlappung der einzelnen Felder Politik, Kultur und Wirtschaft auszumachen. Jedes dieser Felder zieht seinen ganz eigenen Nutzen aus der Kooperation. Daher der Rückbezug auf Bourdieu, dessen Kapitalbegriff zwar ein ökonomischer ist, sich aber nicht auf die Sphäre der Wirtschaft beschränkt.

Diese Verschiebung wurde theoretisch im Konzept einer symbolischen Ökonomie von Sharon Zukin gefasst. Die tendenzielle Austauschbarkeit städtischer Räume verstärkt die Konkurrenz um Einzigartigkeit - Ketten ersetzen Einzelhandel, internationale Marken verdrängen ortstypische Angebote. Städtische Produktion wird zunehmend abstrakter. Deshalb legt Zukin ihr Augenmerk auf die Repräsentation politischer und ökonomischer Macht. Eventorientierte Veranstaltungen wie die Kulturhauptstadt Europas oder Urban Entertainment Center konkurrieren um Entwürfe gesellschaftlicher Visionen. Städte müssen die materielle Basis der abstrakten Produktion modernisieren, um für den Wettbewerb in einer globalen Ökonomie der Symbole gerüstet zu sein. Spezielle Ausbildungsangebote, wirtschaftliche Investitionen im Multimediabereich sowie visuelle Anziehungspunkte sind Wegmarken in diesem Wettbewerb. Die Auswirkungen dieser symbolischen Politik sind jedoch keineswegs rein symbolisch, sondern bestimmen qua Ausschließungen und Einschließungen den Alltag der Menschen in der Stadt.1

Die Kulturhauptstadt Europas ist zum einen eine kulturelle und integrative Institution der EU, zum anderen - und darum soll es hier gehen - eine stadtentwicklungspolitische Strategie im europäischen und nationalen Wettbewerb. Dieser Wettbewerb findet auf einer symbolischen Ebene an realen Orten statt und wird mittels kultureller Strategien ausgefochten.

Die Idee einer Europäischen Kulturstadt stammt von der ehemaligen griechischen Kulturministerin und Sängerin Melina Mercouri. Sie sah die EU als Bühne, auf der die einzelnen Nationen Gelegenheit hätten, ihre spezifische Kultur zu präsentieren. Auf diese Weise könne jede Nation einen eigenen Beitrag zur europäischen Einigung leisten und sich im Gegenzug europäischer Aufmerksamkeit erfreuen. Die Idee fruchtete, und so wurde naheliegenderweise Athen 1985 die erste europäische Kulturstadt.

1999 wurde im Europäischen Parlament und dem Rat ein Beschluss zur Förderung der Gemeinschaftsaktion "Kulturhauptstadt Europas" verabschiedet. Hierbei handelt es sich um eine Ausarbeitung des ursprünglichen Konzepts "europäische Kulturstadt."

Neben der Zelebrierung europäischer Kultur und der außergewöhnlichen Rolle, die Städte im Verlauf der Geschichte Europas spielten, hebt der Beschluss vor allem auf den wirtschaftlichen Ertrag einer solchen Gemeinschaftsaktion ab. Deshalb wird eine Studie über die bisherigen Erkenntnisse der Veranstaltung "europäische Kulturstadt" angeführt, der zufolge die positiven Auswirkungen auf die Stadt lediglich temporärer Natur seien. Die "Beförderung" der Kulturstadt zur Kulturhauptstadt dient folglich als Impuls an die Mitgliedstaaten, das "kulturelle Projekt in einen mittelfristigen dynamischen Prozess zu integrieren" (Grund 5). Das heißt, der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung soll nachhaltig etabliert werden. Die kulturelle Vermittlung zwischen dem relativ neuen politischen Konstrukt der EU und dem bereits etablierten der einzelnen Nationalstaaten soll über den Reichtum und die Vielfalt sowie die Gemeinsamkeiten der europäischen Kulturen herausgestellt werden. Nicht zuletzt könne dadurch ein "Beitrag zu einem besseren Verständnis der Bürger Europas füreinander" geleistet werden, oder - anders formuliert - ein europäisches Nationalgefühl kreiert werden.

Damit komme ich zu meinem ersten Beispiel einer kulturellen Strategie.

1. Der Intendant - Theater findet Stadt

Da die Chance auf den Titel sehr ernst genommen und dahinter zukunftsweisendes Potenzial vermutet wurde, war für die Bewerbung Professionalität gefragt. Also wurde Martin Heller, der künstlerische Leiter der Expo 2oo2 (aus der Schweiz) geholt und zum Intendanten gekürt. Im neu gegründeten Kulturhautpstadtbüro 2o1o laufen bis heute alle Fäden zusammen; hier werden Bürger, Kulturbehörde und die Bremer Marketing Gesellschaft miteinander vernetzt. In dieser Zusammenarbeit unter der Feder Martin Hellers entstanden die zwei Bewerbungsbände "Was Bremen Ist" und "Was Bremen Will". Ebenso wurde der "partnerclub bremen 2o1o" gegründet. Namhafte Unternehmen aus der Medien- und Tourismusbranche wie radio bremen, TQ Travel Solutions sowie Kraft Foods sind nicht mehr einfach "Sponsoren," sondern treten als Partner auf. Worauf der Titel Intendant anspielt - das Theater, die Inszenierung - ließ sich dann in Bremen selbst erleben. Nach dem Motto "Niemand ist eine Insel" machte der Intendant es sich zum Ziel, die Rollen in der Bremer Kulturlandschaft neu zu verteilen.

Damit Neues entstehen könne, gelte es, "Brutstätten" Raum und "Besessenen" Zeit zu geben. Seine Vorstellungen und ambitionierten Visionen wurden jedoch nicht immer begrüßt: So bezeichnete eine Bremer Künstlerin die Strategie kürzlich als "Durchlauferhitzer" für junge Künstlerinnen und Künstler, die nur so lange geduldet würden, wie sie dem Standort nützlich seien. Konsequenterweise entstanden Konflikte innerhalb sowie um die Kulturszene: Während Heller in der Politik als Vermittler hoch gelobt und seine weltmännische Einstellung äußerst geschätzt wurde, sahen sich die Kulturschaffenden in zwei Lager geteilt: solche, die ins Konzept paßten und unterstützt wurden und solche, deren Zielgruppen nicht dem gängigen Bild des profilierten Kulturtouristen entsprachen.

In Bremen wurde die Lektion von Las Vegas gelernt. Der Intendant designt ein Bremen, das bestimmte, kommerziell vermarktbare Aspekte betont. Es handelt sich dabei um eine Inszenierung objektiv stattfindender Prozesse, die jedoch aus ihrem Kontext herausgerissen und ästhetisch aufbereitet werden. Durch die Visualisierung durchaus problematischer kultureller Werte werden historische Tatsachen politisch und ökonomisch instrumentalisiert.

Ein Beispiel ist etwa die hanseatische Kaufmannstradition Bremens, die - von ihrer Geschichte kolonialistischer Ausbeutung befreit - als Weltoffenheit und kulturelle Toleranz dargestellt wird. Ohne Frage ist Weltoffenheit Merkmal des maritimen Charakters jeder Hafenstadt, doch verbirgt sich dahinter nicht zuletzt eine Legitimationsstrategie.

Um Weltoffenheit und Nutzbarmachung kreativen Potenzials von Seiten der Bremerinnen und Bremer geht es auch im Weltspiel, der nächsten Strategie, die ich kurz vorstellen möchte.

2. Das Bremer Weltspiel - Gutes suchen und nach Bremen bringen

Das Bremer Weltspiel wird als Flaggschiff der Bewerbung bezeichnet. Hier wird im Kleinen ausprobiert, was die Stadt als Kulturhauptstadt 2o1o im Großen ausstrahlen könnte. Außerdem wird es ausschließlich über private Mittel finanziert. Letzteres biete laut Intendant die "Möglichkeit, innerhalb sinnvoller Regeln rasch und unbürokratisch zu entscheiden und inhaltliche Freiheit zu genießen." Aber was ist das Weltspiel eigentlich?

"Man sollte anderswo Gutes suchen und nach Bremen bringen" heißt das simple Motto des Urhebers, Kurator im Gerhard-Marcks-Haus (Arie Hartog). "Gefragt sind Ideen und Experimente aus aller Welt, die Fremdes und Bremisches in produktive Spannung bringen," lautet die Beschreibung in der 8-seitigen Zeitungsbeilage des Kulturhauptstadtbüros 2o1o.

Alle Bremerinnen und Bremer werden darin aufgerufen, Ideen, Projektskizzen oder konkrete Vorhaben bei der Spielleitung einzureichen. Diese ist Teil des Kulturhauptstadtbüros 2o1o und entscheidet zusammen mit dem Intendanten, welche Projekte umgesetzt, wie sie finanziert werden und wo mögliche Kooperationen entstehen könnten. Eine private Stiftung sowie der partnerclub stellen ¤3oo.ooo bereit, mit denen die einzelnen Projekte unterstützt werden. Dann gibt es noch Joker im Weltspiel - Kulturengel. Sie sind Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die mit ihrem Know-How und ihren Beziehungen dazu beitragen, einzelne Spielideen auszuarbeiten und durchzuführen. Die Kulturengel gehören der kulturellen Elite Bremens an und steuern das nötige kulturelle und soziale Kapital bei. Ehrenamtlich, versteht sich.

Das Bremer Weltspiel ist ein Public-Private Partnership und soll nach der prägnanten Formel "private money public gain" funktionieren. So lobenswert der Gedanke auch ist - er darf nicht blenden. Zum einen besteht der angeblich öffentliche Nutzen privater Investitionen im Sinne der Bewerbung vor allem darin, die Marke Bremen nach außen zu kommunizieren. Zum anderen soll bürgerschaftliches Engagement geweckt werden, von dem sich wiederum ein Identifikationsgewinn der Bremer mit ihrer Stadt versprochen wird. Ohne bestreiten zu wollen, dass die Strategie in einigen Fällen aufgeht und Menschen die Möglichkeit haben, Ideen zu verwirklichen und Kultur Stadt finden zu lassen, verbirgt sich dahinter ganz offen die Aussicht, innovative Ideen akkumulieren und nutzbar machen zu können.

Aber bürgerschaftliches Engagement allein reicht nicht für eine nachhaltige Stadtentwicklung, deshalb stelle ich einen dritten Aspekt vor, der den materiellen Stadtraum und seine symbolische Besetzung betrifft.

3. Das Stephani-Viertel - zur Konstruktion eines Standortes

Auch im konkreten Stadtraum sind Anstrengungen auszumachen, ein neues Image für die Stadt nach außen zu entwickeln. Der Wandel vom Industriestandort zum Dienstleistungs-, Wissenschafts- und Tourismusstandort soll sich bemerkbar machen, der erhoffte Aufschwung räumlich sich niederschlagen. Vor allem das Zentrum soll einer Modernisierung Ausdruck verleihen, die in zukunftsweisenden Produktionszweigen - den Creative Industries - gesehen wird. Multimedia Konferenzen wie die "Profile Intermedia," die seit 1998 jährlich als sogenanntes "Cross-over-Ereignis" stattfindet, ermutigten zur Planung eines Medienzentrums. Dieses Vorhaben findet im Rahmen städtebaulicher Maßnahmen statt und betrifft das Stephani-Viertel, das zwischen der Innenstadt und dem Hafen an der Weser liegt. Das anvisierte privat finanzierte Zentrum soll als Brücke zur geplanten Überseestadt dienen und als Produktionsstandort mittelständische Servicebetriebe anziehen. Radio Bremen Hörfunk und Fernsehen bauen dort bereits, weiterhin ist ein Edutainment Center - das Cineum - geplant. Auch das Kommunalkino 46, das bisher im entfernteren Stadtteil Walle ein reiches Programm bietet, soll sich dazugesellen. Während also kreative Mediendienstleistungen und Unterhaltungsangebote im Stephani-Viertel konzentriert werden sollen, entstehen neue Brachen an bisherigen Standorten. Damit droht - vor allem in Walle - ein Verlust an Stadtteilqualität. In der City dagegen ballen sich Einkaufsmöglichkeiten, das Stephani-Viertel bietet Unterhaltung, und im Hafen tummeln sich Künste und Wissenschaft.

Insgesamt ist dieses Schlüsselprojekt Teil der Revitalisierung der Innenstadt und Ausdruck einer seit mehreren Jahren stattfindenden Aufhübschung. Diese ist als Versuch zu sehen, das Zentrum in einen zusammenhängenden Erlebnisraum zu verwandeln, in dem Kultur, Kommerz und Unterhaltung eine innige Verbindung eingehen. Ein Bremer Architekt konstatierte in diesem Kontext gar einen Wandel von einer Stadt, die sich auf ihre Bürger ausrichtet, zu einer Stadt, die sich auf Touristen und Investoren ausrichtet. Dabei entstünde bisweilen der Effekt, dass selbst Bewohner sich in der eigenen Stadt wie Touristen fühlten. Dies deutet auf die strukturelle Interdependenz zwischen materiellen - also städtebaulichen - und symbolischen Prozessen, die die Rolle eines Vermittlers bei der Aneignung von Raum spielen. Sinn und Zweck sind die räumlichen bzw. Lokalisierungsprofite, die Bourdieu so treffend beschrieben hat. Die Unternehmen, die sich dort ansiedeln, profitieren einerseits von der Nähe zu wichtiger Infrastruktur und andererseits von dem Prestige des angeeigneten physischen Ortes. Die symbolische Raumaneignung äußert sich in der Installation territorialer Zeichen, mittels derer bestimmte Zielgruppen angesprochen werden sollen, andere Bevölkerungsgruppen jedoch von vornherein entmutigt werden. Resultat ist die marktgerechte Separierung der städtischen Räume und ihrer Nutzergruppen.

Fazit

Worin besteht nun die Kommodifizierung der Stadtpolitik? Die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raumes der Stadt, der zwar zu keiner Zeit im wahrsten Sinne des Wortes öffentlich - also allen zugänglich - war, ist die wohl wichtigste Folge der den Stadtraum gestaltenden Ökonomie der Symbole. Sie hat unmittelbare Auswirkungen auf das soziale Leben und Erleben, weil sie individuelle Lesarten von Urbanität durch eine homogene und dominante ersetzt. Wenn Raum auf die Produktion von Profit reduziert wird, hat dies unmittelbare Konsequenzen für die sozialen Prozesse. Differenz, die der gleichmachenden Verdinglichung im Wege steht, wird im wörtlichen Sinne ausgegrenzt. Die Begegnung mit dem Anderen ist der Ökonomie der Symbole gleichsam ein Hindernis, beansprucht sie doch, Differenz erst durch Marken zu schaffen. Doch durch diese Negierung sozialer Unterschiede - notwendiges Element von Urbanität - wird öffentliche Stadtkultur zu einer Farce ihrer selbst. Deshalb muss sie künstlich inszeniert werden. Kommodifizierung jedoch als Entpolitisierung zu verstehen, wäre zu kurz gedacht. Vielmehr verschleiert sie soziale Verhältnisse, die als Lebensstile ausgegeben werden, und impliziert damit, diese seien frei wählbar. Dies läßt sich auch am Vorgehen der Intendanz beobachten: So werden Orte und Zielgruppen ausgesucht, die sich für eine Inszenierung eignen, für die Investitionen "sich lohnen." Darauf spielt Zukin an, wenn sie von den materiellen Voraussetzungen für die abstrakte Produktion spricht. Ein Sponsor aus dem "partnerclub bremen2o1o" präsentiert sich eben lieber an der Weserpromenade als in einem dezentralen Stadtteil.

Die Stadt tritt insofern als Unternehmerin und Ware auf, indem jegliche Nutzung ihrer Räume als Dienstleistung bzw. Konsumption verstanden wird. Davon zeugt die Rede vom Erlebnis Stadt, und nichts anderes ist die Inszenierung einer sogenannten "Kulturhauptstadt Europas." Zum Schluß bleibt anzumerken, dass in der Romantisierung der Stadtkultur bestehende Verhältnisse affirmiert werden. Wird der Begriff hypostasiert, gerät seine Dynamik aus dem Blick. Letztlich ist die Kommodifizierung Ausdruck ebendieser Kultur. Vielen Dank!

1 ''"In der Stadt ist die Ökonomie der Symbole aus drei Gründen bedeutend: Sie hat erstens die Macht, die Ästhetik im öffentlichen Raum zu bestimmen. Sie schafft zweitens wirtschaftliches Wachstum, indem sie über kulturelle Attributierung Wertsteigerungen von Boden und Immobilien erreicht. Und sie konstruiert drittens für die Wachstumskoalition eine öffentliche Identität als 'Patrizierklasse'." (Kirchberg 1998: 41)''


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