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Zur Diskussion „Subversion im Souterrain“ am 29.9.2005 im Partyraum „Mieten & Feiern“, Bremen

Subversion im Souterrain – Von Brutstätten und Schutzimpfungen

Wir haben euch heute, und vor allem einige, durchaus sehr unterschiedliche Projekte eingeladen, um öffentlich, gemeinsam über unterschiedliche Konzepte und Praxen kultureller Arbeit zu sprechen, und auch über die Rolle dieser Arbeit im städtischen Umfeld. Gerne würden wir als Veranstalter und als Kritiker einer unternehmerischen Stadtpolitik über ideale Strategien und Konzepte sprechen. Aber das wäre vermessen, wir glauben auch nicht, dass es eine solche ideale Form gibt. Dagegen ist es vielleicht interessanter, kurz zu den Anfängen unserer Gruppe, city.crime.control, zu gehen, um damit unsere Motivation für diesen Abend zu erklären und vielleicht um die eine oder andere Anregung für die gemeinsame Diskussion zu liefern.

1998, ein Jahr vor dem ersten Projekt unserer Gruppe, erließ der damalige Bausenator Schulte eine Anordnung, die sogenanntes „wildes Plakatieren“ vollständig unterbinden sollte. Gleichzeitig wurden überall in der Stadt -- auf den für das freie Plakatieren sehr beliebten Stromkästen -- vermietbare Plakatflächen geschaffen. Dieses Manöver der Zugriffsbeschränkung betraf Bretterzäune, Laternenmasten und insbesondere die Stromkästen, also bis dato gemeinschaftliche und überall verfügbare Ressourcen. Diese nunmehr sterilisierten, cleanen Flächen waren somit ganz im Sinne der damals virulenten Kampagne namens „Aktion Saubere Stadt“, die eine Aufhübschung urbaner Räume zum Ziel hatte, einhergehend mit einer weitgehenden Regulierung ihrer Bespielung zum Vorteil einer Mehrwert generierender Nutzung. Als Nebeneffekt dieser Aktion waren alle No-Budget-Projekte vor die Wahl gestellt, entweder ziemlich viel Geld (1,50 Mark pro Plakat und Tag) auszugeben oder auf ein wichtiges Mittel für eine öffentliche Sichtbarkeit künftig zu verzichten. Das Plakatierverbot sprach also für ein zynisches Verständnis im Umgang mit Selbstorganisation und kultureller Produktion.

Diese Kulturproduktion hat in ihrer Unterschiedlichkeit mehr oder weniger einen gemeinsamen Nenner, nämlich eben nicht die Schaffung von Mehrwert, und weniger der Anbietung von gewinnbringender Unterhaltung sondern eben der Produktion von Kultur. Eine Ad-hoc Kampagne gegen das Plakatierverbot, die von einem recht breiten Bündnis aus verschiedensten kulturellen Initiativen mitgetragen wurde, firmierte als „Aktion Lebendige Stadt“ und versuchte appelativ, an die Baubehörde gerichtet, das Verbot rückgängig machen zu lassen. Sie scheiterte mit dieser eindimensionalen Ausrichtung schlicht an dem Desinteresse und Unverständnis der Baubehörde und löste sich genauso schnell auf, wie sie sich spontan zusammen gefunden hatte. Reste der Kampagne, die sich nach dem Scheitern dieser Strategie weiterhin trafen, gingen dann in ihrer Kritik einen Schritt weiter: Sie verstanden das Plakatierverbot als einen signifikanten Indikator für einen grundlegenden Wandel städtischer Regierungspolitik und entschlossen sich, diesen Wandel weitergehend zu thematisieren und zu kritisieren.

Heute, sieben Jahre später, ist allgemein bekannt, dass freies Plakatieren weiterhin möglich ist, wenn auch lange nicht mehr flächendeckend und freizügig wie noch Anfang der 90er. (Diese Möglichkeit ist immer auch mit dem Risiko verbunden, ab und zu beim Plakatieren von Ordnungshütern gestellt zu werden, was im Schnitt jedoch deutlich günstiger ist, als die Nutzung der offiziellen Mietflächen). Und dass die geschaffenen kommerziellen Flächen nur dann ausgebucht sind, wenn das nächsten Stadion-füllende Großereignis ansteht, und ansonsten meist mit ziemlich dämlichen Platzhaltern gefüllt werden.

Heute sind, das wäre dann die Vermutung, städtische Konzepte sind nicht mehr so ruppig, sondern eher cleverer und indirekter geworden. Sie haben sich vielleicht damit abgefunden, dass solche ordnungspolitischen Erlasse nur schwer konsequent durchzusetzen sind, und dass eine „Umformatierung“ städtischer Räume besser und ungestörter funktioniert, wenn kleinere, wohldosierte Schlupflöcher und andere Ventile offen gelassen werden, wie z.B. die Reste freier Plakatierflächen. Dazu kommt vielleicht auch die Erkenntnis, dass gesellschaftlicher Input, wie zum Beispiel durch die kulturellen Produktionen von Subkulturen, durchaus nutzbringend eingesetzt werden kann. Zum einen wird in subkulturellen Zusammenhängen mit den Konzepten der Selbstorganisation und in der Tradition des Do It Yourself gehandelt, also auf der ökonomischen Ebene ohne großen Aufwand, fixe Kosten oder gar vernünftige Entlohnung. Damit sind subkulturelle Projekte auch in einem neoliberalen Sinne als gelungene Vorreiter für Ich-AG und die Selbstaktivierungmaßnahmen der Agenda 2010 lesbar. Was braucht es noch staatlich finanzierte Projekte, wenn es auch ohne regelmäßige Subventionen, ohne fixe Haushaltsausgaben funktioniert? Einmalige, projektorientierte Finanzspritzen, Ausschreibungen, für die sich mit großem Aufwand beworben werden kann, und schließlich die Zurichtung auf singuläre Anläße, Events wie Festivals, erlauben hierbei immer noch ein gewisses Mindestmaß an Steuerung. Eine solche Politik der Großereignisse, also eben die Ausrichtung auf großformatige und gut vermarktbare Veranstaltungen, zeigt sich im kulturellen Bereich mit dem Konzept „Kulturhauptstadt Europas“ – Bremen hat sich ja um diesen Titel kürzlich und erfolglos beworben. Diskussionen und Berichte aus Städten, so aus der österreichischen Stadt Graz, die im letzten Jahr eine europäische „Kulturhauptstadt“ war, zeigen, dass die oftmals erhoffte Anerkennung und Förderung lokaler Kultur ein Trugschluß war. Vielmehr ist zu beobachten, daß sich die beteiligten Städte auf der finanziellen Seite verausgabt haben, so daß im Anschluß deutlich weniger Geld und Unterstützung für die Finanzierung lokaler kultureller und auch sozialer Aktivitäten zur Verfügung stand, als noch zuvor. Was Graz neben einem großen Haushaltsloch heute bleibt, sind zwei, drei architektonische Meisterwerke, leere Kulturstätten, für deren Bespielung keine Konzepte oder Finanzierungen vorhanden sind.

Zum anderen funktioniert dieses nutzbringende Einsetzen auch nach dem Prinzip einer Schutzimpfung, so betonte es kürzlich Brian Holmes auf einem Panel in Berlin: „Die kontrollierte Dosis künstlerischer ‚Unruhe‘“, so wird Holmes in der taz zititert, „soll den Ausbruch allgemeiner Unruhen verhindern helfen“. Inwieweit hier ein strategisches Vorgehen unterstellt werden kann, würde ich eher skeptisch sehen. Aber als Effekt ist diese Beobachtung sicherlich nicht abwegig.

Diese Nützlichmachung ist in Bremen etwas Neues. Dazu mußte allerdings erst ein Kulturmanager (oder ein städtischer „Intendant“ wie Anna Richter ihn beschreibt) aus einem anderen Land importiert werden, der dann die lange Zeit ignorierte oder gegängelte Subkultur, wenn auch nur in Teilen, als natürliche und nützliche „Brutstätten“ städtischer Kultur redefiniert hat. Und als drittes spricht diese Tendenz zur Vereinnahmung (im Gegensatz zu Maßnahmen zur Ausgrenzung und Gängelung) vielleicht auch für eine politischkulturelle Harmlosigkeit heutiger subkultureller Szenen, ein möglicher Effekt aus mehreren Gründen: eines Zurückziehens in autarke Nischen, eines Kräfte zehrenden Agierens mit Ämtern und Behörden einherhergehend mit permanenten Kompromissen und einer vorausschauenden Selbst-Beschneidung eigener Konzepte, dem gewachsenenen Eigeninteresse an Aufmerksamkeit und an einem ökonomischen Ausgleich für die eigene immaterielle Arbeit, und vielleicht auch das Fehlen von wahrnehmbaren und praktikablen antagonistischen Gesellschaftsentwürfen und damit einhergehenden, subkulturellen Ausformungen, mögen diese (in der Prä-‘89- Ära) in ihren „Nebenwidersprüchen“ oft noch so problematisch gewesen sein.

Betrachtet mensch die Handlungen städtischer Administration, entsteht der Eindruck, dass der Umgang mit allen Arten von selbstorganisierten Projekten – sei es mit mehr kulturellen, sozialen oder politischen Schwerpunkten – sich in die Richtung einer Konditionierung entwickelt, also einer Erziehung hin zur Selbstregierung (und damit oft genug auch Selbstreduktion und Selbstbeschränkung). Gekoppelt daran sind Effekte wie das oftmalige Fehlen von Planungs- und Existenzsicherheit, irrationale, intransparente und schwankende Entscheidungen, die ja nicht nur darin begründet sein können, dass der städtische Verwaltungsapparat selber einen Transformationsprozess durchläuft (auch wenn dieser vielleicht nur einen cleveren Fake darstellt, um eine gewisse Unsicherheit auch innerhalb dieser Struktur zu injizieren).

Die hier beschriebenen Symptome lassen sich sehr ähnlich auch auf andere Bereiche von Stadt und Gesellschaft übertragen. Diedrich Diederichsen erinnert in diesem Zusammenhang an Deleuze und seine Analysen zur Entwicklung von Kontrollgesellschaften, welche sich auch auf das Verhältnis der unternehmerischen Stadt zu den anderen städtischen AkteurInnen übertragen lassen: „Die Kennkarte, mit der du in die innere Stadt eingelassen wirst, ist manchmal gültig und manchmal nicht, du weißt nie, wann sie gilt. Das Einzige aber, was du lernen solltst, dass du selbst verantwortlich bist, für die Willkür der anderen.“

Zum Schluß daher die Frage: Wie läßt sich nun, mit einer gewonnenen, oder nur überlassenen/übertragenen Selbstverantwortung handeln, so dass die eigenen Bedürfnisse, kulturellen Konzepte und die eigenen politischen Selbstverständnisse in einer größtmöglichen Unabhängigkeit bestehen können? Und so, dass gleichzeitig die Verantwortung für die „Willkür der anderen“ abgelehnt werden kann? Geht es darum, den Versuchungen einer Eventkultur zu widerstehen oder diese taktisch geschickt für die eigenen Projekte zu nutzen? Wie hoch ist der Aufwand dafür und das Risiko zu scheitern? Was ist, wenn die Stadt, wie wir sie kennen, verschwindet: Ist Subkultur dann ein nützlicher Lückenfüller, damit das Verschwinden niemand bemerkt, oder ein Ort, an dem ganz eigene, informelle Formen von Stadt entstehen können?

Ulf Treger (c3)


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