HazyLand/ZitateZusammenstellung

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Menschen

1. Wir alle sind heute Sozialarbeiter. Worin besteht dieses Soziale, das nur noch Arbeit ist? Und das nicht einmal an seine Existenz und Existenzberechtigung glaubt, sondern nur noch an seine eigene zwanghafte Reproduktion im Rahmen eines Marktes, in dem es wie jede beliebige Ware dem Gesetz der Knappheit, der Produktion und des Tausches unterworfen ist?

2. Die Kennkarte, mit der du in die innere Stadt eingelassen wirst, ist manchmal gültig und manchmal nicht, du weißt nie, wann sie gilt. Das Einzige aber, was du lernen solltest, dass du selbst verantwortlich bist, für die Willkür der anderen.

3. Sie haben auch "Putzfrauen", die müssen immer wieder den selben Flur putzen. Wenn er sauber ist, kommt eine Festangestellte mit einem Eimer voll "Schmierdreck" und macht den Flur wieder dreckig. Und dann müssen sie wieder von vorne anfangen, acht Stunden am Tag.

4. Eine Ungelernte hat Teppichreste bekommen und mußte den ganzen Tag Teile davon abschneiden und in einen Müllsack schmeißen. Wenn mensch denkt, daß sie das machen sollte, um zu lernen, wie man Teppichboden verlegt, oder die, die nicht streichen können, von dem Maler lernen sollten.....Nein, keiner sagt, ob richtig gestrichen oder gemauert wurde.

5. Das ideologische Herzstück der Aktivierungsmaßnahmen - die jederzeitige "Verwendbarkeit" der Menschen - macht die Arbeitslosen selbst für ihr Schicksal verantwortlich. Nicht die Regierenden und die Unternehmen tragen an der Lage der Ausgegrenzten Schuld, sondern allein diese selbst.

Politik

6. Die Politik ist in ihrer Besonderheit selten. Sie ist immer lokal und zufällig. Ihr gegenwärtiges Verschwinden ist ganz wirklich, und es gibt keine Wissenschaft von der Politik, die fähig wäre, ihre Zukunft zu bestimmen, und auch nicht eine Ethik der Politik, die ihr Dasein zu einer alleinigen Frage des Willens machen würde.

7. Politik ist eine zufällige, lokale und prekäre Aktivität, die immer kurz vor ihrem Verschwinden steht. Und folglich auch vor ihrem Wiederauftauchen.

8. Das Politische wird nie mehr aufhören zu verschwinden, es wird aber auch nichts anderes an seine Stelle treten lassen.

Medien

9.1. Der öffentliche Raum erfährt eine zunehmende Mediatisierung durch vernetzte, elektronische Kommunikation, mit dem Mobiltelefon als bekanntesten und verbreitesten Vorboten. 9.2. Die freie Verfügbarkeit von Kommunikationsinfrastrukturen und die Entwicklung von offenen Protokollen, Archiven und Software sind zentrale Aspekte für eine emanzipative, selbstorganisierte Nutzung und die Entwicklung geeigneter Handlungsperspektiven im öffentlichen, urbanen Raum.

10. Die Möglichkeit einer Koppelung von elektronischen Informationen und urbanen Orten wirft die dringliche Frage auf, wer über die Kontrolle dieser Daten, und damit deren Bedeutungen und Aussagen verfügt: Die BewohnerInnen und NutzerInnen eines urbanen Raums oder die Distributoren von Mehrwertdiensten, Gelben Seiten und Reiseführern?

Bremen

11. Wir haben alle Interesse an dieser Stadt. Sonst wären wir längst alle weg.

12. Bremen rutscht mit wachsender Haushalts-Schieflage sehenden Auges auf den Abgrund zu. Das Scheitern und den Ernst der Lage wird öffentlich niemand eingestehen. Es wird lieber getrickst und hin und her gebucht, nur um den Bürgern keinen reinen Wein einschenken zu müssen.

13. In Bremen wurde die Lektion von Las Vegas gelernt. Der "Intendant" designt ein Bremen, das bestimmte, kommerziell vermarktbare Aspekte betont. Es handelt sich dabei um eine Inszenierung objektiv stattfindender Prozesse, die jedoch aus ihrem Kontext herausgerissen und ästhetisch aufbereitet werden.

14. Eigentlich müßten die Städte bei der Planung solcher Projekte die Entsorgung gleich miteinkalkulieren. Dann würde so etwas wie der ›Space Park‹ gar nicht erst gebaut.

Faulenquartier

15.1. Das anvisierte privat finanzierte Medien-Zentrum im Stephani-Viertel soll als Brücke zur geplanten Überseestadt dienen und mittelständische Servicebetriebe anziehen. Während hier kreative Mediendienstleistungen und Unterhaltungsangebote konzentriert werden sollen, entstehen neue Brachen an bisherigen Standorten. 15.2. In der City ballen sich Einkaufsmöglichkeiten und im Hafen tummeln sich Künste und Wissenschaft.

16. Der Umbau zum Medienquartier ist Teil der Revitalisierung der Innenstadt und Ausdruck einer seit mehreren Jahren stattfindenden Aufhübschung. Diese ist als Versuch zu sehen, das Zentrum in einen zusammenhängenden Erlebnisraum zu verwandeln, in dem Kultur, Kommerz und Unterhaltung eine innige Verbindung eingehen.

17. Bremen wandelt sich von einer Stadt, die sich auf ihre Bürger ausrichtet, zu einer Stadt, die sich auf Touristen und Investoren ausrichtet. Dabei entsteht bisweilen der Effekt, dass selbst Bewohner sich in der eigenen Stadt wie Touristen fühlten.

18.1. Die Unternehmen, die sich im Stephani-Viertel ansiedeln, profitieren einerseits von der Nähe zu wichtiger Infrastruktur und andererseits von dem Prestige des angeeigneten physischen Ortes. 18.2. Symbolische Raumaneignung äußert sich in der Installation territorialer Zeichen, mittels derer bestimmte Zielgruppen angesprochen werden sollen, andere Bevölkerungsgruppen jedoch von vornherein entmutigt werden. Resultat ist die marktgerechte Separierung der städtischen Räume und ihrer Nutzergruppen.

19.1. Auch wenn die Stadt Bremen bei Entwicklung und Vermarktung ihrer Projekte nicht wirklich mit Fortune agiert, so wird doch dies mit viel Energie und Investitionen betrieben. 19.2. Der intensive urbane Umbau scheint derzeit eine neue Qualität zu erreichen, wenn nicht mehr nur der einzelne Ort (Space Park) oder der einzelne Anlaß (Kulturhauptstadt) zur Optimierung von Aussenwirkung und Inszenierung von Stadt herangezogen wird, sondern gleich ganze Stadtteile und mithin die Stadt an sich als Marke generiert werden.

Stadtplanung

20.1. Zwar wird die Bevölkerung in einer ersten Planungsphase eingeladen und angehört, ihre Forderungen werden aber im weiteren Verlauf unter den Tisch gewischt. Das so genannte «öffentliche Interesse» zieht im luschen Pokerspiel regelmässig den schwarzen Peter. Monopoly wäre für diese pseudodemokratische Farce der angemessenere Titel. 20.2. Wenn Investoren und Behörden, von wirtschaftlichen Interessen geleitet, am gleichen Strick ziehen, dann wird auch die häufig angeführte Lebensqualität zur Worthülse. Wo, darf man sich fragen, ist hier die viel beschworene Nachhaltigkeit geblieben?

21.1. Disneyland wird als Imaginäres hingestellt, um den Anschein zu erwecken, alles andere sei real. 21.2. Los Angeles und ganz Amerika, die Disneyland umgeben, sind bereits nicht mehr real, sondern gehören der Ordnung des Hyperrealen und der Simulation an. Es geht nicht mehr um die falsche Repräsentation der Realität, sondern darum, zu kaschieren, dass das Reale nicht mehr das Reale ist, um auf diese Weise das Realitätsprinzip zu retten.

22. In der mittelalterlichen Stadt der Zünfte und Bürger entsprach die äußere gebaute Form ziemlich genau dem technischen Wesen der Gesellschaft. In dem Moment, in dem sich Technik rasend schnell verändert, kommt die adaptierende Inszenierung nicht mehr hinterher. Vieles wird dann so gestaltet wie einst, auch wenn die gesellschaftliche Realität längst eine andere ist.

23. Ein Teil der Beharrungskraft der Strukturen des Sozialraums resultiert aus dem Umstand, daß sie sich in den physischen Raum einschreiben und nur um den Preis einer mühevollen Verpflanzung, eines Umzugs von Dingen, einer Entwurzelung bzw. Umsiedlung von Personen veränderbar sind, was wiederum höchst schwierige und kostspielige gesellschaftliche Veränderungen voraussetzt.

24.1. Die Stadt und ihre BürgerInnen werden auf unabsehbare Zeit mit radikal weniger Staat auskommen müssen. Das Kriterium für alles, was jetzt angefangen wird, muss daher sein: Befähigt es die Stadt, die Menschen und die Unternehmen, ohne öffentliches Geld, aus eigener Kraft zu überleben, zu leben und wo möglich zu wachsen. 24.2. Es ist nicht egal, wie und wo sich der Staat zurückzieht. Wir müssen einen Plan entwerfen für die Übergabe eines wachsenden Teils öffentlicher Aufgaben an die Zivilgesellschaft. Für diesen Prozess brauchen die BürgerInnen Ermutigung, Kenntnisse und Rechte.

25.1. Dass sich der neoliberale Staat zurückzieht, stimmt erstens gar nicht so, und zweitens braucht man auch in den Fällen, wo man es erwarten und befürchten muss, nicht zu hoffen, irgendwelche staatsfernen Freiräume geschenkt zu bekommen. 25.2. Jeder von uns hat insgeheim auf eine Art von Deregulierungs-Dividende gehofft. Das Regime der Selbstverantwortung, die Privatisierung der Arbeitsdisziplin müsste doch auch Platz für ein paar freie Entscheidungen lassen, so ganz ohne Substanz kann doch auch die Ideologie des freien Unternehmertums nicht funktionieren.

26. Es erfüllt sich nur selten die Hoffnung vieler Soziologen und Planer: Sie preisen gern das Stadtleben als die bessere Daseinsform, weil es Toleranz lehre, weil es kulturelle Mischung erlaube, weil es den Gemeinsinn schule. Vielen neuen Urbaniten hingegen bedeutet Stadt vor allem Lifestyle, und sie scheren sich nicht weiter um die Visionen der Aufklärer.

Imageproduktion

27. Make a blank valuable by putting it in an exquisite frame

Alternativen

28. Trotz der 'Krise der Stadt' gilt es, wieder ein Verständnis des Sozialen zu entwickeln, das nicht nur als eine Kultur der Probleme erscheint, sondern auch als ein Entfaltungs- und Möglichkeitsraum. 28.2. Man muss vor allem das 'Recht auf Stadt' und das 'Recht auf Abweichung' hervorheben: das Recht, nicht von städtischer Zentralität ausgeschlossen und in diskriminierende Randzonen abgedrängt zu werden, und das Recht, sich nicht den Vorgaben homogenisierender Mächte unterwerfen zu wollen.

29.1. Mit den geistigen und kommunikatorischen Formen der Arbeit in der kapitalistischen Weltordnung leben wir jetzt in einem Zustand der unendlichen Öffentlichkeit ohne öffentlichen Raum. 29.2. Die Unmöglichkeit, mit unseren virtuosen Auftritten Sinn zu stiften – das heißt die Unmöglichkeit, konkrete gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken – kommt einer Demütigung unser zugleich höchsten und allgemeinsten Befähigung gleich, nämlich die der Befähigung zur Sprache selbst. Diese Demütigung ist ein politisches Gefühl, das nach einer Antwort verlangt.

30. In welcher Art von Fantasiewelt wollen wir leben? Und wie sollen wir dafür bezahlen? Am Beginn des 21. Jahrhunderts, auf einem Planeten, der sich im Kriegszustand befindet, dreht sich einer der Hauptkonflikte der überentwickelten Länder um das, was die einen als Kultur, die anderen als Unterhaltung bezeichnen.

31. Wenn sich bei dem »Tanz der Bits und Atome« persönliches Umfeld wie urbane Räume verändern, müssen Antworten auf die Fragen nach einer künftigen »Gemeinschaftlichkeit« in der Entwicklung und Benutzbarkeit der sich überlagernden Räume einer elektronischen Stadt formuliert werden, ohne dabei die bisherigen Zustände öffentlicher Räume romantisch zu verklären oder deren immanenten medialen Dimensionen zu ignorieren.

32.1. Um negative Aspekte wie Verdrängungsprozesse auf der einen und Unwillen der StadtbewohnerInnen auf der anderen Seite so weit wie möglich zu überstrahlen, ist eine positive mediale Präsenz notwendig. 32.2. Symbolische und repräsentative Projekte lassen sich leichter durch Imagebeschmutzung irritieren, als eine alltägliche, eher versteckt stattfindende Politik der Ausgrenzung und des Abbaus sozialer Netzwerke. Daraus ergibt sich eine Hypersensibiltät und Anfälligkeit für Störungen jeder Art, die durch eine kritische Bewegung gegen die gegenwärtige städtische Politik genutzt werden könnte.

Migration

33. Die Situation wird sich für MigrantInnen trotz schöner Worte nicht ändern, wenn sie nicht gerade zu den High-Tech-MigrantInnen gehören. Sie werden als AkteurInnen weiterhin Objektivierungsversuchen Widerstand leisten und ihr Wissen für sich behalten, sowie sie auch ihren Alltag strukturieren.

34.1. Wir erleben einen Prozess der konsequenten Destruktion des Sozialen im Namen des Sozialen. 34.2. Die Menschen werden auf einmal als Individuen begriffen, die selbst eine aktive Rolle bei ihrer Einbettung in das System, also dem Regiertwerden, zu übernehmen haben. Genau die NichtstaatsbürgerIn, die MigrantIn?, wird als solche entdeckt: MigrantInnen werden plötzlich Teil einer „nützlichen Vielfalt“, die durch ihre Orientierung auf die Chancen, die die Stadt ihnen bietet, diese beeinflussen sollen.

Überseestadt

35.Ich finde, schlimmer hätte man gar nicht planen können. Die Verantwortlichen dieser Planung sollten genötigt werden, später (wenn der Masterplan Realität geworden sein sollte) dort zu wohnen.

37.Bravo! Endlich 1 offenes Bekenntnis zur menschenunwürdigen Gigantomanie, unverhohlen und hübsch plastisch dargeboten.

38. Überseestadt: Kühl, kantig, gradlinig und luftig -- alles schön in Reih' und Glied geordnet! Da kann ja nur der Wind durchpfeifen. Ob sich da gut wirtschaften läßt?

39. Eine Stadt -- auch eine Überseestadt -- sollte wachsen können. Das schließt Zufälle, Bedürfnisse der Nutzer, Kreativität der Erbauer als Gestaltungskriterien ein. Ich habe immer mal davon geträumt, am Hafenbecken zu wohnen. Bei diesem Entwurf finde ich keinen Platz dafür.

CSD

40. Der CSD wird zur Bühne für (überwiegend schwullesbische) Lobby-PoltikerInnen und ihren frommen Wunsch nach Anerkennung der eigenen Lebensweise durch die Dominanzgesellschaft. Integriert werden jedoch nur diejenigen, die die Werte der dominanten Gesellschaft nicht in Frage stellen bzw. keine Kosten verursachen.

41. Mit ihrem Bemühen um Integration schließt die schwullesbische „Community“ stillschweigend eine Menge Leute aus, die sich nicht integrieren lassen wollen oder können: Polygame Liebe wird nicht zur Ehe, Müllmänner keine Bürgermeister, der illegale Aufenthalt nicht zum deutschen Pass und HIV nicht zur Cellulitis.

42. In Masse auf der Straße zu sein, anders sichtbar zu sein, die (Werbe-)Bilder in den Köpfen zurecht zu rücken, angstbesetzte Räume selbstbewusst betreten zu können, sie umzudefinieren, in ihnen handeln zu können, Bevölkerung aufzuklären oder zu irritieren, Rathäuser/ Redaktionen/ Ausländerbehörden zu besetzen, das alles könnte ein CSD sein.

43. Der Niedergang der firmengesponserten großen CSD-Paraden wird von uns mit Genugtuung erwartet. In unseren kühnsten Träumen werden Sponsoren-Gelder nicht mehr so üppig fließen, weil die CSDs mit ihrer Kommerzialisierung nicht nur einen kleinen Teil ihres subversiven, wilden und - nur damit auch für die Wirtschaft - interessanten Charmes verloren haben.

44. Ohne "Ursprünglichkeit" hat die schwullesbische "Community" keinen Marketingreiz und damit wohl in naher Zukunft auch keine Firmengelder mehr. Wir dürfen gespannt sein, wann der erste CSD nicht mehr von der Stadtverwaltung, sondern von der Interessengemeinschaft der Kaufleute untersagt wird.

45. Der CSD wird zum Label und Werbeträger für rein kommerzielle Veranstaltungen und entwickelt sich zum überregional vermarktbaren Event-Konzept, das in beliebig viele Städte (locations) importiert werden kann. Derart seiner emanzipativen Geschichte entledigt, ist er nunmehr beliebtes Aushängeschild und weicher Standortfaktor der touristischen Stadt.

Die homosexuelle Bar

46. Die homosexuelle Bar stellt sowohl einen Schutz vor der homophoben Stadt als auch selbst eine Art Stadt dar, eine Stadt, in der schwule Männer sich frei bewegen, Sex haben und sich verloben, promiskuitiv sein und ohne Angst die ganze Nacht tanzen können. Sie ist ein fiktives Amalgam unterschiedlicher Raumtypen, in denen schwule Männer eine öffentliche Kultur entwickelt haben.

47. Draußen vor der homosexuellen Bar gibt es eine homophobe Stadt voller Angst, drinnen eine Stadt der homoerotischen Zuflucht. So wie die Bar eine Stadt ist, die sich in der Stadt eingenistet hat, so nistet sich die Stadt auch in der Bar ein. Die Bar ist groß und vereint praktisch alle Straßen der Stadt in sich, die Männer dort sind aus den verschiedensten Vierteln.

48. Indem die homosexuelle Bar eine Form der Erotik erlaubt, die in der Stadt verboten ist, bringt sie auch die Erotik des urbanen Raumes in ihr Inneres - das Umherschweifen, die Zufallsbekanntschaften, die Begegnungen mit Fremden, dunkle Ecken, öffentliche Intimitäten, Körper, die zusammenkommen und sich wieder auseinander bewegen.

49. Die homosexuelle Bar wiederholt und transformiert die Charakteristika der Stadt, so dass einst umkämpfte Plätze von Homophobie befreit werden, um Enklaven queerer Sexpraktiken zu werden.

queer und raum

50. Öffentlicher Raum wird zunehmend von den Einwohnern des jeweiligen Viertels kontrolliert und Firmen, Immobilienmaklern oder anderen, nicht verantwortlich zu machenden, lediglich an privatem Profit orientieten Gesellschaften wie Business Improvement Districts überlassen. Das bringt die Bedingungen für ein schwul/lesbisches öffentliches Leben in Gefahr.

51. Im London der 80er Jahre trat eine agressive Homophobie als emblematisches urbanes Problem auf, das sich in moralisierenden Anti-Sex-Kampagnen, einer Gesetzgebung, die das Verbot der Pornografie zum Ziel hatte und einem Zensursystem manifestierte, das jede Referenz auf Homosexualität als etwas an sich Unanständiges oder Obszönes betrachtet sowie in der medialen Konstruktion von Homosexualität als ein beispielhaftes und mahnendes Zeichen der Andersartigkeit.

52. Da die heteronormative Identitätskultur queere Kultur von kurzlebigen Ausformungen im urbanen Raum und medialer Kultur besonders abhängig macht, sind queere Öffentlichkeiten durch Initiativen wie das New Yorker Gebietseinteilungsgesetz besonders verwundbar. Das Gesetz zielt darauf ab, jede gegenöffentliche Sexkultur zu beschränken, in dem ihre ökonomischen Voraussetzungen reguliert werden.

53. Inmitten des Stadtkörpers mit seinen Häusern, Straßen und Freiräumen gibt es ein nur für Schwule wahrnehmbares Netzwerk. Anhand einiger seiner Aktionsräume – öffentliche Parks oder Rastplätze sowie Bedürfnisanstalten und Pornokinos – lässt sich die Geschichte der Subcodierung durch eine Bevölkerungsgruppe nachvollziehen, die ihre Räume konspirativ innerhalb der städtischen Gesellschaften entwickeln mußte.

54. Die Wahrnehmung einer Stadt verändert sich, wenn die Orientierungslinien die Orte queeren Lebens sind. (Ein Plan, den sich der französische Semiologe Roland Barthes bei einem Berlinbesuch in den Fünfzigerjahren zur Orientierung skizzierte, zeigt den für schwule Etablissements bekannten Nollendorfplatz als Zentrum sowie einige wie Satelliten erscheinende Bars in Charlottenburg und Neukölln.)

Stadtplanung 2

55. Die Feindlichkeit gegenüber Rechten ist das Markenzeichen moralischer Kreuzzüge, die von der Annahme ausgehen, gegenwärtige urbane Probleme seien die Folge eines Niedergangs des Glaubens an konventionelle moralische Werte. In New York zeigt sich eine solch moralisierende Haltung momentan in Kampagnen zur Verbesserung der "Lebensqualität", ein Terminus, der zum Zentralbegriff der öffentlichen Debatte über die Stadt geworden ist.

56. Initiativen für mehr Lebensqualität werden mit Bedarf an urbaner Behaglichkeit, Schönheit und Nützlichkeit gleichgesetzt, die als außerpolitisch und dem Gemeinwohl dienend verstanden werden. In einem derart abgesteckten Rahmen kommt eine Befragung der Begriffe "Behaglichkeit", "Schönheit" oder "Nützlichkeit" einer Zurückweisung derselben gleich und signalisiert eine Befürwortung von Unbequemlichkeit, Hässlichkeit und Disfunktionalität, die naturgemäß die Stadt selbst gefährden.

Tales from Hazyland – Geschichten aus der Stadt des Verschwindens

Zitate von Jean Baudrillard, Brian Holmes, Klaus Ronneberger, Robert Bücking, Michael Brandt (Weser Kurier), Jacques Rancière, Labournet.de, Anne Daguerre, Brian Eno, Diedrich Diederichsen, Pierre Bordieu, Meinhard von Gerkan, Hanno Rauterberg, Ljubomir Bratic, Anna Richter, Ulf Treger, Ulla Luther, Friedrich von Borries, BesucherInnen der Ausstellung zur Überseestadt, writing worstfear queens, Rosalyn Deutsche, Lauren Berlant/ Michael Warner, Michael Kasiske


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